Von diesem kurzen Ausflug in die Frühgeschichte wieder zurück zur Vergangenheit Aulendorfs – eine recht abwechslungsreiche, zumindest was die mächtigen und angesehenen Geschlechter betrifft, die im Wechsel die Herrschaft über den Ort ausübten. Die ersten, urkundlich nachweisbaren Grundherren waren die Welfen. Deren Ministerialien verwalteten den Ort bis 1191.
Dann gehörte er den Staufern, von den großen Geschlechtern Schwabens das bedeutendste. In ihre Zeit reicht der romanische Kern des Ostteils der Burg zurück. Mit der Enthauptung des unglücklichen Konradins 1268 auf dem Marktplatz von Neapel starb das stolze Staufengeschlecht aus. Mit ihrem gewaltigen Besitz fiel auch die Burg Aulendorf mit ihren abhängigen Dienstleuten und Bauern an das Reich. Dienstadelige des Reiches hatten jetzt das Sagen im und über den Ort. Später waren es Schellenberger und Königsegger, am längsten die letzteren.
Von der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts bis zum Ende des Reiches 1806 war die Geschichte dieser Standesherrschaft auch die Geschichte Aulendorfs. 1629 in den Reichsgrafenstand erhoben, erweiterten sie die mittelalterliche Burg während der bau- und repräsentationsfreudigen Barockzeit zu einer eindrucksvollen Residenz. Die ursprünglich kleine romanische Rechteckskirche hatten sie vorher schon zur dreischiffigen Basilika vergrößert.
1941 verkauften die Königsegger ihr Aulendorfer Schloss. Rasch wechselten die Eigentümer einander ab: Reichs- und Bundespost, Bayerischer Burgenverein und zuletzt das Land Baden Württemberg, das es umfassend renovierte. Im Schloss ist heute das Rathaus mit Notariat und Kurverwaltung untergebracht. In den repräsentativen Räumen ist das Schlossmuseum eingerichtet. Und der Ort selbst? Er war immer klein und unbedeutend geblieben. Nur als Verwaltungsmittelpunkt der Grafschaft hob er sich von den umliegenden Dörfern ab. 1682 erhielt er vom Kaiser das Marktrecht verliehen, ein begehrtes Privileg. Als der Marktflecken 1806 zum Königreich Württemberg kam, zählte er nicht ganz 1000 Einwohner. Unversehens aber wurde er in der Mitte des vorigen Jahrhunderts zur "Drehscheibe Oberschwabens", als Eisenbahnlinien durch das Land gebaut wurden. Der Ort wurde zum wichtigen Eisenbahnknotenpunkt, ein Umstand, dem er das Flügelrad in seinem Wappen verdankt, während das rot-gold gerautete Schildhaupt an die lange Herrschaft der Königsegger erinnert.
Durch die Eisenbahn, aber auch durch Aulendorfer Unternehmer, die in den 20er Jahren größere Betriebe aufbauten, wurde aus dem einstigen Dorf das heutige Landstädtchen. Nach dem zweiten Weltkrieg mußten einige Betriebe ihre Produktion einstellen, so die Strickwarenfabrik Nußbaumer, das Traktorenwerk Lanz und die Allgäuer Holzindustrie. Auch die Zahl der Bahn- und Postbediensteten ging stetig zurück. Der Strukturwandel führte zum Aufbau des Kurbereichs. Der Kur- und Tourismusbereich ist heute der wichtigste Wirtschaftszweig der Stadt. Durch die Gesundheitsreform musste auch dieser Bereich den heutigen Markterfordernissen angepasst werden.
Schlepperfabrik Hermann Lanz/Aulendorf - HELA -
1888 gründete der Schlossermeister Hermann Lanz in Aulendorf eine kleine Werkstatt. Sein 1890 geborener Sohn Hermann erlernte beim Vater ebenfalls das Schlosserhandwerk. Er verbrachte Wanderjahre in der Schweiz, in Italien und in Paris, bereits mit 23 Jahren war er Meister, Note "Sehr gut"!
1914, kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs. übernahm er die väterliche Werkstatt. In einem 50 Jahre später erschienenen Bericht zum Firmenjubiläum lesen wir: "Da ein richtiger schwäbischer Schlossermeister ein Grübler und Sinnierer und ein Erfinder sein muss, weil es ihn unwiderstehlich drängt, neue und bessere Wege zu gehen. So stand der junge Schlossermeister manche Stunde am Fenster oder gar auf den Feldern, die dicht an sein Haus heranreichten. Er schaute den Bauern bei ihrer schweren, zeitraubenden Arbeit zu, überlegend und grübelnd. wie diese Arbeit leichter und schneller zu leisten wäre".
1919 begann Hermann Lanz, allerlei Geräte und Maschinen zu produzieren, die er zum Teil selbst entwickelt oder verbessert hatte: Eggen, Wiesenwalzen, Schleifmaschinen, Mostereigeräte usw.
Schon 1922 konstruierte und produzierte er den ersten Motormäher, im gleichen Jahr erbaute er sozusagen "auf der grünen Wiese" mitten in Aulendorf seine erste Fabrikhalle. Der Schritt von der Schlosserwerkstatt zum Produktionsbetrieb war getan. Ein Meilenstein für das Unternehmen war 1929 der Bau des ersten Dieselschleppers "Samson", Ergebnis jahrelanger Versuche und Entwicklungen. Viele Jahre später. 1964 anlässlich des 50-jährigen Firmenjubiläums. verlieh das "Institut für Schlepperforschung" im Rückblick auf die Entwicklung in Aulendorf dem Firmengründer Hermann Lanz den Ehrentitel "Pionier des deutschen Schlepperbaus".
Ab 1930 wurde jährlich ein neues Schleppermodell angeboten.
1938 trat Sohn Anton Lanz als Diplom-Ingenieur und Konstrukteur in die elterliche Firma ein. Er entwickelte eine Motorenreihe, die jahrelang produziert und für viele Zwecke eingesetzt wurde.
1939, wenige Monate nach Kriegsausbruch, stellten Lanz Senior und Junior die Fabrik völlig auf reine Schlepperproduktion um.
Ab 1941 wurde ein durch Holzgas betriebener Schlepper produziert. Die intakte, moderne, hochleistungsfähige Fabrik wurde 1945 von der französischen Besatzungsmacht völlig demontiert, ein Schlag, von dem sich die Firma nie mehr ganz erholen konnte. Dennoch bemühte man sich in den Folgejahren langsam, aber mit schwäbischem lmprovisationstalent, fast ohne Mittel die Produktion wieder in Gang zu bringen. Erst nach der Währungsreform Mitte 1948 begann sich die Lage wieder etwas zu normalisieren. Ab 1950 wurde wieder in Serie produziert und bis auf 16 Schlepper pro Tag gesteigert.
Ab 1952 wurde das Programm durch den Kleindieselschlepper "Varimont" erweitert, ab 1955 wurden Dieselmotoren mit 1, 2 und 3 Zylindern für den Eigenbedarf und für Wasserfahrzeuge produziert. So entstand Zug um Zug ein reichhaltiges Programm, das vorwiegend für kleinere und mittlere Betriebe gedacht war.
Die Belegschaft, die 1950 noch 50 Mitarbeiter umfasste, wuchs in den 60er Jahren auf 580 Mitarbeiter an. Lanz war der größte Arbeitgeber Aulendorfs geworden, zu dem täglich auch viele Pendler aus der Umgebung einströmten. Insgesamt verließen die Aulendorfer Fabrik unter den Marken "Lanz/Aulendorf" und "HELA" 30.000 Schlepper.
Die Veränderungen auf dem europäischen Markt brachten es mit sich, dass immer mehr kleine und mittlere landwirtschaftliche Betriebe aufgeben mussten. Entsprechend reduzierte sich auch laufend der Bedarf an Schleppern bei gleichzeitiger Konzentration auf Großbetriebe. Es schien deshalb naheliegend, dass sich die Firma Lanz dem größten Baumaschinenkonzern der Welt anschloss, der solch bedeutende Hersteller wie Zettelmeyer und Hanomag umfasste. Dieses Riesenunternehmen mit über 13.000 Arbeitsplätzen und 2.5 Milliarden Umsatz brach jedoch unerwartet 1983 zusammen.
Die Firma Lanz - Aulendorf wurde als Teil der Konkursmasse verschleudert. Tragisches Ende eines so hoffnungsvoll, tatkräftig und vielversprechend gewachsenen Unternehmens. Die außerordentliche Leistung des Firmengründers Hermann Lanz, seines Sohnes Anton Lanz und der Belegschaft verdienen größten Respekt. Der Name Aulendorf hat heute noch durch die Produkte dieser Firma einen guten Klang.
Aulendorf als Stadt und Kurort
Aulendorf wird zur Stadt erhoben
Die Erhebung Aulendorfs zur Stadt war ein langer Prozess. Früher wurde Aulendorf von den Grafen von Königsegg-Aulendorf bis zum Jahre 1848 regiert. Der Graf ernannte die Ortsvorsteher (Amtmann oder Oberamtmann). Diese bildeten die Vertreter des Grafen. 1848 verlor der Graf das Recht der Ortsvorsteher-Ernennung. Nach dem Anschluss an Württemberg hießen die Ortsvorsteher Schultheißen. In die Amtsperiode des Schultheißen Vochezer fiel die Stadterhebung. Die Amtsgeschäfte fanden zunächst im Wohnhaus der Schultheißen statt, da bis 1877 kein eigenes Rathaus bestand. Das frühere Rathaus in der Hauptstraße 64, wurde damals von der Eisenbahnverwaltung gekauft. In ihm wohnte der Ortsvorsteher, bis es 1925 seinen ursprünglichem Zweck zugeführt wurde.
Der Aufschwung Aulendorfs zur Stadt nahm von 1848 an seinen Anfang, als die Einwohnerzahl von 1.010 sich bis 1950 mehr als vervierfachte.
Aulendorf wurde durch die Eisenbahn zur Drehscheibe Oberschwabens und entwickelte sich somit in rund 100 Jahren von der Kleinresidenz der Grafen von Königsegg-Aulendorf zur ansehnlichen Gemeinde. Am 19. September 1950 verlieh das Staatsministerium des damaligen Landes Südwürttemberg - Hohenzollern der Gemeinde Aulendorf das Stadtrecht. In einem Staatsakt am 08. Juli 1951 überreichte Innenminister Renner an Bürgermeister Vochezer die Urkunde. Anlässlich der Stadterhebungsfeier wurde dieser Tag von Bürgermeister Vochezer zum Heimattag und Kinderfest erklärt.
Für die Gemeinde bedeutet der Titel Stadt zwar eine Ehre, bringt aber auch gleichzeitig viele Verpflichtungen mit sich.
Aulendorf als Kurort
Das Kurwesen und der Fremdenverkehr in Aulendorf begründet seinen Ursprung und die Grundvoraussetzung sicherlich in der Tatsache, dass ereits 1925 ein Kneippverein gegründet wurde. Zu dieser Zeit war die Methode des Wörishofener Pfarrers Sebastian Kneipp noch sehr umstritten. Jedoch nach die Kneipp-Bewegung zur Heilung von Krankheiten immer mehr zu, da von Bad Wörishofen ab und zu ein Badearzt kam, der Anwendungen verordnete, die in der ersten Badeanstalt, die 1932 in einem Wohnhaus eingerichtet wurde, durchgeführt wurden. Durch seine Vorträge über die Idee von Kneipp versuchte er immer mehr Anhänger zu gewinnen. So bekam Aulendorf 20 Jahre später im Jahr 1952 das Prädikat und den Titel Kneippkurort verliehen.
Aulendorf heute
Wer heute nach Aulendorf zieht oder sich als Gast aufhält ist erstaunt über das große Dienstleistungsangebot der Kleinstadt mit knapp über 10.000 Einwohnern. Umso erstaunter ist er beim Erkunden der Stadtgeschichte der letzten 100 Jahre. Das Bürgermuseum stellt die Geschichte dieser rasanten Entwicklung dar. Aulendorf darf sich erst seit 1950 "Stadt" nennen. In seiner Tradition hatte Aulendorf immer Superlative: Der Ort hatte über Jahrhunderte eine imposante Schlossanlage, erhielt Ende des 19. Jahrhunderts einen Bahnhof und Gleisanlagen wie für eine Großstadt, baute im letzten Jahrhundert Klinikgebäude und Gesundheitseinrichtungen, die stadtbildprägend sind. Gerade diese Superlative brachten Aulendorf in seiner Infrastruktur überdurchschnittlich voran, von denen die Einwohner gerne profitieren.
Die vor 15 Jahren eingeleitete Stadtsanierung führte zu einer spürbaren Verbesserung des Zentrums. Das Schloss ist wieder Zentrum der Stadt. Neben der Erhaltung denkmalgeschützter Bausubstanz wurden moderne Akzente im Stadtbild gesetzt. Die Innenstadt ist belebt durch viele attraktive Einzelhandelsgeschäfte, Dienstleister und Gaststätten, Bistros und Cafes. Einladend zum Radfahren und Wandern sind auch die Ausflugslokale und Landgasthöfe in der näheren Umgebung.
Die bauliche Weiterentwicklung findet statt in den Baugebieten "Mahlweiher", "Schützenhausstraße"und "Safranmoosstraße". Die Wohngebiete sind dank der topographischen Lage oft mit malerischem Ausblick ins Schussental mit Panoramablick bis zu den Alpen. Gewerbliche Bauplätze gibt es im Gewerbe- und Industriepark Sandäcker und Achberg. Die Stadt hofft hier neue Arbeitsplätze vor Ort zu schaffen. Wichtig für Aulendorf sind die staatlichen Institute: Die Lehr- und Versuchsanstalt für Viehhaltung und Grünlandwirtschaft mit Wildforschungsstelle und das Tierärztliche Untersuchungsamt mit Diagnostikzentrum.
Der Wohnwert ist hoch: Kindergärten, alle Schularten vor Ort (darunter 2 Gymnasien, Berufschulen), Sport- und Freizeitanlagen, 90 Vereine, verkehrsgünstige Lage zur B 30 und 32 sowie die Bahnanbindung mit IC-Haltepunkt und Bodensee-Oberschwaben-Bahn mit Flughafenanbindung in Friedrichshafen.
Dank der Vereinsvielfalt ist der jährliche Veranstaltungskalender mit einem großen Angebot an kulturellen Darbietungen gefüllt. Die Aulendorfer Fasnet, das Schloss- und Kinderfest und der Weihnachtsmarkt haben regionale Bedeutung. Ergänzt wird das Angebot durch Veranstaltungen der Gästeinformation, der Schwaben-Therme und der Volkshochschule .
Auch das religiöse Leben hat in Aulendorf Tradition. Neben der kath. und evang. Kirchengemeinde gibt es eine neuapostolische Kirchengemeinde. Darüber hinaus gibt es das Schönstattzentrum, das Missionshaus St. Johann, die Dobelmühle und der Verein Dornbusch.
Die Stadt ist bedacht, die bestehenden Strukturen zu erhalten und auszubauen. Mit dem "Wirtschaftsförderungskonzept" sollen die Schwerpunkte Wohnen, Gesundheit/Freizeit, Dienstleistung/Einzelhandel, Gewerbe und Schulstandort für das neue Jahrhundert zum Wohle der Bürger ausgerichtet werden. Verwaltung, Gemeinderat und eingerichtete Arbeitsgruppen bemühen sich die Weichenstellungen für die kommenden Jahrzehnte richtig zu setzen.